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Geh‘ doch mal raus (aus dir)

„Spazierengehen ist einfach, umweltfreundlich und kostenlos - und außerdem eine Wohltat für Körper und Geist.“ So titelte ein Artikel in der SZ des Autors Titus Arnu, der sich darin über die „wiederentdeckte Kunst des Flanierens“ ausließ. Nicht ohne zu erwähnen, dass er es selbst als junger Mensch noch als „ultraspießig“ empfand, ähnlich wie Brotbacken und Schrebergärten. Doch auch Letztere haben, gerade unter Angehörigen der Generation Z, in Sachen Trendfaktor eine unglaubliche Wandlung erlebt. 

 

Aber bleiben wir beim einfachen Spazierengehen, für das die deutsche Sprache so schöne Synonyme wie Schlendern, Streunen, Bummeln oder auch Lustwandeln kennt. Und „Lust“ ist denn auch das, was sich einstellt, nämlich schlichtes Vergnügen an mehr oder weniger ziellosen Bewegungsabläufen, die schon größte Dichter und Denker inspiriert haben. „Ich kann nur beim Gehen nachdenken. Bleibe ich stehen, tun dies auch meine Gedanken“, so der Genfer Philosoph, Naturforscher und Komponist Jean-Jacques Rousseau, dem auch der Aufruf „zurück zur Natur“ zugeschrieben wird. 

 

Einfach mal Durchatmen

Der Aufenthalt im Freien und in der Natur, sei es einfach beim „zweckfreien Herumlatschen“, beim Zupfen am selbstgezogenen Tomatenstock, bis zum aus Japan übernommenen Trend des „Waldbadens“, all das spiegelt das wachsende Verlangen nach „back to nature“ bei uns wider, die wir überwiegend in geschlossenen Räumen lebend den Tag verbringen. Und die es eigentlich dringend nötig hätten, mehr als die durchschnittlich 3000 Schritte am Tag zu gehen, die der typische Büromensch gerade mal schafft.  

 

Wie mehrere medizinische Studien zeigen und auch Sportmediziner empfehlen, können 8.000 bis 12.000 Schritte pro Tag ein deutlich geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit sich bringen. Zudem wurde das Flanieren als Therapieform lange unterschätzt, wie sich vor allem während der Coronakrise zeigte, wo es vielfach die einzige Möglichkeit darstellte, mal was anderes als Bildschirme und – bei allem Respekt – immer dieselben Gesichter zu Hause zu sehen. 

 

Gehen ist einfach gesund

Flanieren als Kreislaufunterstützung und gleichzeitig als soziales Ereignis, bei dem man auf Gleichgesinnte trifft, die nicht unbedingt eine teure Sonderausrüstung zur Ausübung einer Freizeitaktivität brauchen, wie sie etwa schon beim verwandten Joggen oder ernsthaftem Wandern anfällt. Ganz zu schweigen vom Equipment- und Spezialkleidungsbedarf, der zum Beispiel fürs Mountainbiken oder bei allerlei Wintersportarten gefordert wird. 

 

Doch einen Spaziergang als zweckfrei anzusehen, wird der Tätigkeit keineswegs gerecht. Der Effekt auf die körperliche Ertüchtigung mag zwar gering sein, doch die psychophysische Gesamtwirkung eines Spaziergangs ist das, was eigentlich zählt. Wie etwa das Gefühl der Leichtigkeit und Beschwingtheit, das einen überkommt, wenn man zum ersten Mal an einem Frühjahrstag ohne Jacke rausgeht. Ebenso wie das Gefühl der Geborgenheit an einem nebligen Herbsttag, an den man dick verpackt in Pullover und Anorak, durchs Herbstlaub schlurfend durch den Park geht. 

 

Flanieren adelt

Der Autor Titus Arnu dazu; „Ein Blick in die Kulturgeschichte des Spaziergangs zeigt, dass es sich ursprünglich nicht um eine philosophische oder sportliche Tätigkeit handelte, sondern um eine Statusdemonstration. Das Gehen zum Zeitvertreib war früher ein Privileg der Adeligen.“ Ein Privileg, das wir uns heute alle leisten können, das wir pflegen und so gut es geht nutzen sollten. 

Die in einem Spaziergang steckende Energie beschrieb der Feuilletonist Hermann Bahr schon 1897 treffend: „Ja, der Gang scheint eine besondere, Gedanken schaffende, Gefühle wirkende Kraft in sich zu tragen: Er kann Trauer bannen, Leidenschaft mäßigen, Würde geben. Es gibt eine Art, die Füße frohlockend, selbstbewusst und befehlend aufzusetzen, zu der man kein bescheidenes oder niedergeschlagenes Gesicht machen kann. Wie der Fuß den Takt schlägt, müssen die Augen tanzen.“ Also dann mal los...

Karin Bacher Consultants
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