Posts from 2024-06-24

Cool bleiben statt persönlich nehmen

 

Während meiner Ausbildung und später zu Beginn meines Studiums kellnerte ich. Bis heute halte ich diese Zeit für sehr wertvoll für meine persönliche Entwicklung. Ich war in dieser Zeit Vertraute, der man seine Lebensgeschichte erzählt, Ratgeberin in Beziehungsfragen, Fußabtreter, wenn andere einen schlechten Tag hatten, Objekt der Begierde oder Bedienstete, der man einiges zumuten wollte. Auf jeden Fall erhielt ich immer direktes Feedback. Wenn es positiv war ein Lächeln und Trinkgeld, wenn es nicht schnell genug ging ein Meckern oder in Extremsituationen herablassendes gar beleidigendes Verhalten. Letzteres glücklicherweise sehr selten. Irgendwie, ohne das Wissen von heute, habe ich es geschafft, die schlechten Reaktionen nicht persönlich zu nehmen. Ich blieb entspannt, weil ich instinktiv wusste, dass die Reaktionen nichts mit mir zu tun hatten. Da war diese Frau - unglücklich, weil ihr Mann sie betrog – das wusste ich, weil er wahlweise mit der einen oder der anderen bei mir an der Theke saß. Sie war ausgesprochen unangenehm und schickte mich regelmäßig, um Eis zu holen, weil der Wein angeblich zu warm oder einen neuen Kaffee aufbrühen, weil dieser angeblich kalt war. Sie bat nicht, sie kommandierte und murmelte stets eine kleine Stichelei in meine Richtung, nach dem Motto nicht schnell genug, nicht intelligent genug – einfach nur Bedienung halt. Ich begegnete ihr lächelnd und freundlich. Bis heute meine Strategie, die in den meisten Fällen erfolgreich ist.

Wenn man aufmerksam ist, merkt man, dass es häufig Situationen wie diese im Leben gibt. Zum Beispiel der Mann an der Supermarktkasse hinter mir, der sich laut über mich aufregt, weil ich ihm nicht schnell genug meine EC-Karte aus dem Portemonnaie ziehe. Oder neulich eine Mutter, die mich beschimpfte, weil ich gehupt habe, als ihre Tochter ohne zu schauen, mit Kopfhörern auf das Mobiltelefon schauend die Straße vor mir überquerte. Ich war leicht verwirrt über die Reaktion, winkte dennoch freundlich und lächelte. Was die Mutter noch mehr in Rage brachte. Ich fuhr einfach weiter und vergaß das Ganze. Bis ich diesen Artikel anfing.  

All diese Dinge haben nichts mit mir zu tun. Die anderen haben ein Problem, ich lasse es gerne bei ihnen. 

Lerne, dass du es nie allen recht machen wirst

Nehme ich das Verhalten anderer Personen trotz allem persönlich, hat es meistens tatsächlich mit mir zu tun, weil es einen meiner Schwachpunkte trifft. Also Sachen, die ich nicht an mir mag, ob äußerlich oder Verhaltensweisen. Meine Tante, die ich lange nicht mehr gesehen hatte, begrüßte mich mit den Worten: „Wie schade, früher hattest du so schöne, lange, volle Haare!“. Das saß. Ich war verletzt, weil ich selbst unzufrieden mit meinen Haaren bin. Hätte sie mir gesagt: „Früher warst du herzlicher zu mir bei der Begrüßung“, hätte ich es als das gesehen was es ist: Eine verletzte Tante, bei der ich mich schon lange nicht mehr gemeldet habe. Andererseits sie auch nicht bei mir.  

Das Wichtigste ist, dass du dir selbst darüber im Klaren bist: Jeder Mensch trägt seine Päckchen mit Problemen, schlechten Erinnerungen und Erfahrungen mit sich rum. Das sind aber nicht deine Päckchen. Sie haben nichts mir dir zu tun. Wenn du danach strebst, es immer allen recht zu machen, wirst du scheitern. Mache es dir selbst recht, achte auf deine Werte und auf dein Wohlempfinden, schaue, dass es den Menschen, die dir wichtig sind, gutgeht. Das ist genug für ein Leben. 

 

Tipps für mehr Gelassenheit – je nach Situation anzuwenden  

 

  1. Tausche dich mit anderen aus. Indem du darüber sprichst, können dich andere unterstützen und bestärken, nämlich darin z. B., dass es s Menschen gibt, die mit sich nicht im Reinen sind und andere klein machen wollen. Egal ob Kollegen, Vorgesetzte oder Freunde – sicher hatte jeder mal ähnliche Erlebnisse. 
  2. Kontrolle über deine Gefühle behalten. Es liegt nicht an dir, wenn andere die Kontrolle verlieren und dich provozieren wollen, aber du bist dafür verantwortlich, was du daraus machst. 
  3. Freundlichkeit: Bleibe freundlich, begebe dich nicht auf das Niveau des Aggressors. Bleib deinen Werten treu. 
  4. Distanz: Der Andere hat das Problem, lass es bei ihm. Vielleicht ist er genervt, wütend auf sich oder die ganze Welt – egal: Es hat nichts mit Dir zu tun. 
  5. Durchatmen: Nimm dir Zeit für eine Reaktion, indem du ein paar Mal tief durchatmest, bevor du reagierst. 
  6. Kommunikation: Den anderen fragen, was ihm oder ihr jetzt in dem Moment am meisten helfen würde. Damit merkt die andere Person, dass sie ernstgenommen wird und du dich für ihre Probleme interessierst.  
  7. Schöne Momente: Nach der Situation an die Momente denken, in denen dir Menschen ihren Dank ausgesprochen haben, du ein wertschätzendes Feedback erhalten hast oder du ein nettes Gespräch hattest. Dann lächle dich selbst an und freue dich über diese Momente. 
Wie Selbstreflexion dir im Job hilft

Als ich den ersten Teil meiner Coaching-Ausbildung startete, begann die Trainerin nicht mit Theorie, sondern mit einer Einheit Selbstcoaching. Sie begann mit Fragen, die uns helfen sollten, unser Verhalten besser zu verstehen. Ich fand dies großartig, denn ich lernte einiges über mich und wie ich produktiver im Berufsalltag sein, aber auch glücklicher durchs Leben gehen konnte. Ich änderte einige Verhaltensweisen und hatte damit schnell Erfolg. Denn wenn wir uns selbst besser kennen und eine klare Vorstellung von unseren Werten haben, sind wir selbstbewusster und kreativer – dies untermauern diverse Studien.  

Erfolgreicher im Job, wenn wir uns selbst kennen 

Dieses Wissen geben mein Team und ich in einem - aus meiner Sicht - Pflichtmodul in jedem Führungskräfte-Entwicklungsprogramm weiter: Selbst- und Fremdreflektion. Dies ist umso wichtiger, weil in der Realität der modernen Arbeitswelt, indem immer mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig ist, mehr Online-Meetings stattfinden und agile Arbeitsmethoden die Kommunikation und das Miteinander, auf ein anderes Level hieven. Erfolgreich sind keine Einzelkämpfer, sondern Menschen, die sich gegenseitig unterstützen und miteinander kooperieren. Das wird sich in den nächsten Jahren mit der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt und dem Einzug von künstlicher Intelligenz verdichten. Erfolgreich wird sein, wer seine Stärken und Schwächen kennt und in der Interaktion mit anderen gut damit umgehen kann. Also auch versteht, warum er in welchen Situationen welche Reaktion beim Anderen auslöst. Apropos: Um gut mit den neuen Technologien umzugehen ist Austausch und voneinander Lernen wichtig. Ich werde nie vergessen, wie mir mein Auszubildender geduldig die Nutzung einer KI-Anwendung näherbrachte.  

Blick nach vorne 

Es ist wichtig, Verhaltensweisen genauer zu ergründen. Oft meinen wir, Selbstreflektion bedeutet, sich die Frage nach dem Warum zu stellen: „Warum habe ich mich so verhalten?“ „Warum ärgert mich das?“ usw., das ist in die Vergangenheit gerichtet und bringt uns nicht weiter. Denn dann kommen wir in die Problemdenke statt in die Lösungssuche. Ein Phänomen, das in deutschen Unternehmen bei Führungspersonen weit verbreitet ist, verbunden mit Schuldzuweisungen, neudeutsch auch als Fingerpointing bekannt. Denn es ist leichter, sich zu rechtfertigen, als sich tiefer mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen.  

Coaching ist immer in die Zukunft gerichtet und bewertet nicht. Eine echte Selbstreflektion – ob allein oder mit professioneller Begleitung – ist ebenfalls nicht bewertend. Es gibt kein richtig oder falsch, sondern bietet die Chance, sich in Zukunft anders zu verhalten um einfacher, besser und schneller seine Ziele zu erreichen. Auf diese Weise gibt es eine weitaus größere Chance für Veränderung. 

Perspektiven finden  

Welche Fragen sollte ich mir also stellen, um in die Selbstreflektion zu kommen? Kleine Übung: Versetze dich in die Situation und stelle dir jeweils die untenstehenden Fragen! 

Ich komme von der Arbeit nachhause und habe schlechte Laune. 

  1. Warum habe ich schlechte Laune? Mein Mitarbeiter hat schon wieder einen Termin “verschlafen” und ich musste es ausbaden.  
  2. Was fühle ich gerade? 
  3. Was kann ich mir selbst Gutes tun, damit es mir besser geht? 
  4. Was werde ich das nächste Mal anders machen, damit es nicht wieder passiert? 

Ergebnisse:  

Mögliche Beantwortung Frage 1 

Damit versetze ich mich selbst zurück in die Situation und erlebe dieselben schlechten Gefühle, ärgere mich erneut über meinen Mitarbeitenden, fühle mich weiter schlecht. Geändert habe ich nichts. Mögliche Folge könnte sein, dass ich meine schlechte Laune am Partner oder der Partnerin auslasse. 

Mögliche Beantwortung Fragen 2 bis 4 

Hier komme ich in die Selbstreflektion. Bsp.: Ich fühle Ärger oder Wut. Damit kann ich umgehen: Ich überlege mir, wie ich meinen Mitarbeiter in Zukunft besser führen kann, was ich tun kann, um jetzt aus dem Gefühl rauszukommen, denke in Lösungen. Bin bei mir und mit Sicherheit nach dieser Reflektion besser drauf. 

Bei der Beantwortung von anderen W-Fragen komme ich also in die Lösung und überlege, was ich als Führungskraft ändern kann. 

Die Lösung also: Statt Warum bitte Was fragen! 

Tiny Habits: Kleine Schritte zu großen Veränderungen

Ein etwas anderer, mehr pragmatisch klingender Ansatz, wie man vor allem seine als schlecht empfundenen Gewohnheiten loswerden kann, hat der Verhaltens- und Sozialwissenschaftler BJ Fogg entwickelt. Der Gründer des „Behaviour Design Lab“ an der Stanford-Universität legt dies in seinem Buch dar: „Die Tiny Habits Methode – kleine Schritte, große Wirkung“, das er in einem Interview des SZ-Magazins vorstellte.

Der herkömmliche Ansatz, ein Verhalten auf einen Schlag komplett ändern zu wollen, ist für die meisten Menschen nur schwer umzusetzen. Dazu hat Foggs an seinem Institut viele Studien über die Effektivität von „Tiny Habits“ durchgeführt, wonach sich die meisten der „kleinen Gewohnheiten“ mit dieser Methode ändern lassen. Seine wichtigste Erkenntnis: „Wenn man sein Verhalten ändern möchte, ist es wichtig, sich nicht zu viel auf einmal vorzunehmen.“

Gewohnheiten ändern im Hauruck-Verfahren?

Diese gelingen nur Wenigen, sie führen oft nur zu Frustration und der völligen Aufgabe neuer Ziele. Denn zu viel Überwindung darf eine Verhaltensänderung nicht kosten, gerade wenn jemand eine Art von Suchtverhalten zeigt, wie ständiges Naschen, oder auch Rauchen und zu viel Alkohol, bis hin zur exzessiven Nutzung Sozialer Medien. Dafür müssten die meisten Menschen zunächst ihr Umfeld verändern, um ihre Sucht zu überwinden, weil die Versuchung in derselben Umgebung oft zu stark ist.

Dazu hat Foggs mit der Tiny-Habits-Methode sogar einen Selbstversuch unternommen, wie etwa seine alte Gewohnheit abzulegen, immer wieder übermäßig Popcorn zu konsumieren. Dafür wollte er eine neue Gewohnheit entwickeln, nämlich gesunde Snacks in seinen Alltag zu integrieren. Was ihm wohl auch gelang, indem er sich einen zeitlichen „Ankerpunkt“ setzte, zu dem er das neue Verhalten immer wieder umsetzte.

Kleine Schritte führen zu Erfolg

Diese aufbauende Entwicklung einer neuen Routine ist für Foggs der zentrale Aspekt: „Um ein neues Verhalten auszulösen, braucht es einen Anker. Etwas, das ohnehin schon häufig in Ihrem Alltag passiert, ohne dass Sie groß darüber nachdenken. Bei seinem Auftreten soll der Anker dann das neue Verhalten auslösen, erst bewusst, bald automatisch. Der entscheidende Punkt ist die Emotion, die das neue Verhalten begleitet. Je stärker und positiver das begleitende Gefühl ist, desto schneller kann sich die Gewohnheit einstellen.“

Der positive psychologische Effekt steht dabei auch laut Foggs im Mittelpunkt: „Es ist eher das befriedigende Gefühl, erfolgreich zu sein, als ein Wohlgefühl wie etwa beim Schokoladeessen. Das Gehirn stellt fest, dass ich mich durch ein bestimmtes Verhalten in einer mir wichtigen Sache erfolgreich fühlen kann. Wir Menschen sind so gestrickt, dass wir dieses Gefühl haben wollen.“

Und weil wir Menschen nun mal so ticken und obendrein ständig nach Anerkennung suchen, sollte man auch seinen vielleicht wichtigsten Rat dazu wahrnehmen, nämlich die aktive Unterstützung Veränderungswilliger von außen: „Wenn man andere Menschen lobt, trägt man dazu bei, dass ihre Verhaltensweisen zu Gewohnheiten werden.“

Karin Bacher Consultants
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