Fangfragen sind ein beliebtes Instrument bei potenziellen Vorgesetzten und HR-Recruitern, um in Vorstellungsgesprächen herauszufinden, wie souverän Bewerber reagieren, wenn sie Stress ausgesetzt sind. Im Handelsblatt wurde vor einiger Zeit vor den „sieben fiesen Stressfragen“ bei Vorstellungsgesprächen gewarnt und gleich beispielhafte Lösungen dazu geliefert mit „wie Sie souverän antworten“ und „ganz sicher bestehen“.
Wir wollen hier diese Fragetechniken aufnehmen, da sie aus unserer Sicht relevant sind und auch häufig so oder ähnlich in Vorstellungssituationen gestellt werden. Wie jedoch im einzelnen Fall darauf zu reagieren ist, dürfte mit den im Handelsblatt vorgestellten spezifischen Antworten kaum erfasst werden. Deshalb lassen wir die dort vorgestellten Antwortmöglichkeiten einmal weg, da sie natürlich sehr beispielhaft sind und auf die konkrete Situation von Bewerbenden in den seltensten Fällen genau passen.
Die „Fangfragen“:
- „Triadische Frage im Vorstellungsgespräch: Mit welchen Worten würde Ihr Lebenspartner Ihre größte Schwäche beschreiben?“
- „Provokative Frage an Bewerber: Man munkelt, dass Ihr derzeitiger Arbeitgeber wirtschaftliche Schwierigkeiten hat. Sie wollen also schnellstens das sinkende Schiff verlassen?“
- „Situative Frage im Vorstellungsgespräch: Beschreiben Sie eine Situation, in der Ihre Arbeit oder eine Ihrer Ideen kritisiert wurde.“
- „Spiegelfrage im Bewerbungsgespräch: Ich habe den Eindruck, dass es neben Ihrem Wunsch nach einem internationalen Umfeld zwischenmenschliche Gründe gibt, die Sie zu einem Jobwechsel veranlassen. Habe ich Recht?“
- „Hypothetische Frage im Vorstellungsgespräch: Welchen alternativen Lebensplan können Sie sich vorstellen?“
- „Selbsteinschätzungsfrage an Bewerber: Bewerten Sie sich selbst auf einer Skala von eins bis zehn.“
- „Fall-Frage im Vorstellungsgespräch: Sie bekommen den Auftrag, eine Brauerei zu bauen. Sie sind der CEO. Wen würden Sie als Leiter für das operative Geschäft und wen als Finanzchef einstellen und warum?“
Bewerber werden hofiert – aber auch „gegrillt“
Alle Fragen und viel weitere ähnlich lautende zielen letztlich darauf ab, Kandidaten aus der Reserve zu locken und so Persönlichkeitsaspekte zu offenbaren, die aus einem Bewerbungsschreiben oder auch einem Lebenslauf kaum herauszulesen sind. Ob der oder die Fragestellerin andererseits in der Lage ist, die gegebenen Antworten auch richtig zu interpretieren und damit dem Bewerber oder der Bewerberin einen positiven oder negativen Aspekt zuordnet, lässt sich am Ende nicht wirklich steuern. Individuelle Bewertungsspielräume, die nicht selten auch von Vorurteilen geprägt sind, spielen immer noch eine Rolle, oft sogar eine entscheidende.
Bewerbende sollten sich grundsätzlich darauf einstellen, dass ihnen auch in Zeiten von allgemeinen Personalengpässen keine roten Teppiche ausgerollt werden. Sie sollten sich dessen bewusst sein, dass nicht nur ihre Fachkompetenz oder strategischen Fähigkeiten im Gespräch geprüft werden, sondern auch Themen wie ihre Frustrationstoleranz, ihre Loyalität und ihr Empathievermögen. Die wichtigsten Aspekte, wie beim „auf den Zahn-Fühlen“ zu reagieren ist, lässt sich jedoch pauschal zusammenfassen:
- Bei provokativen Fragen vor allem nach der Selbsteinschätzung will der Fragesteller, dass Bewerber ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstachtung unter Beweis stellen. Doch Achtung: Der Grat zwischen Überheblichkeit und „Licht unter den Schemel stellen“ ist schmal.
- Provokative Fragen durchaus auch würdigen, sie als guten Beitrag betrachten und als Gelegenheit, sich selbst in Frage zu stellen und Lernbereitschaft zu zeigen.
- Kandidaten sollten grundsätzlich zeigen, dass sie ihr Verhalten reflektieren, spontan und zwischenmenschlich agieren und Kritik ernst nehmen.
- Bei Fallfragen sollten Bewerber sich Zeit lassen und zunächst versuchen, die Situation zu analysieren. Gerne auch mit lautem Denken und dass Gegenüber an den Überlegungen teilhaben lassen.
- Zeigen, dass man Kritik ernst nimmt, auf Argumente eingeht, keine Scheu vor neuen Lösungen hat und damit Potential zur Weiterentwicklung belegt.
- Gelassen bleiben und sich darüber bewusst sein, dass Bewerber nicht jede Frage beantworten müssen. Um Grenzen zu setzen, eignen sich am besten Rückfragen, die zu einem anderen Thema überleiten.
- Bei Fragen nach dem vorherigen Arbeitgeber neutral bleiben und auf keinen Fall schmutzige Wäsche waschen oder anderen Schuld zuweisen.