Als ich den ersten Teil meiner Coaching-Ausbildung startete, begann die Trainerin nicht mit Theorie, sondern mit einer Einheit Selbstcoaching. Sie begann mit Fragen, die uns helfen sollten, unser Verhalten besser zu verstehen. Ich fand dies großartig, denn ich lernte einiges über mich und wie ich produktiver im Berufsalltag sein, aber auch glücklicher durchs Leben gehen konnte. Ich änderte einige Verhaltensweisen und hatte damit schnell Erfolg. Denn wenn wir uns selbst besser kennen und eine klare Vorstellung von unseren Werten haben, sind wir selbstbewusster und kreativer – dies untermauern diverse Studien.  

Erfolgreicher im Job, wenn wir uns selbst kennen 

Dieses Wissen geben mein Team und ich in einem - aus meiner Sicht - Pflichtmodul in jedem Führungskräfte-Entwicklungsprogramm weiter: Selbst- und Fremdreflektion. Dies ist umso wichtiger, weil in der Realität der modernen Arbeitswelt, indem immer mehr interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig ist, mehr Online-Meetings stattfinden und agile Arbeitsmethoden die Kommunikation und das Miteinander, auf ein anderes Level hieven. Erfolgreich sind keine Einzelkämpfer, sondern Menschen, die sich gegenseitig unterstützen und miteinander kooperieren. Das wird sich in den nächsten Jahren mit der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt und dem Einzug von künstlicher Intelligenz verdichten. Erfolgreich wird sein, wer seine Stärken und Schwächen kennt und in der Interaktion mit anderen gut damit umgehen kann. Also auch versteht, warum er in welchen Situationen welche Reaktion beim Anderen auslöst. Apropos: Um gut mit den neuen Technologien umzugehen ist Austausch und voneinander Lernen wichtig. Ich werde nie vergessen, wie mir mein Auszubildender geduldig die Nutzung einer KI-Anwendung näherbrachte.  

Blick nach vorne 

Es ist wichtig, Verhaltensweisen genauer zu ergründen. Oft meinen wir, Selbstreflektion bedeutet, sich die Frage nach dem Warum zu stellen: „Warum habe ich mich so verhalten?“ „Warum ärgert mich das?“ usw., das ist in die Vergangenheit gerichtet und bringt uns nicht weiter. Denn dann kommen wir in die Problemdenke statt in die Lösungssuche. Ein Phänomen, das in deutschen Unternehmen bei Führungspersonen weit verbreitet ist, verbunden mit Schuldzuweisungen, neudeutsch auch als Fingerpointing bekannt. Denn es ist leichter, sich zu rechtfertigen, als sich tiefer mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen.  

Coaching ist immer in die Zukunft gerichtet und bewertet nicht. Eine echte Selbstreflektion – ob allein oder mit professioneller Begleitung – ist ebenfalls nicht bewertend. Es gibt kein richtig oder falsch, sondern bietet die Chance, sich in Zukunft anders zu verhalten um einfacher, besser und schneller seine Ziele zu erreichen. Auf diese Weise gibt es eine weitaus größere Chance für Veränderung. 

Perspektiven finden  

Welche Fragen sollte ich mir also stellen, um in die Selbstreflektion zu kommen? Kleine Übung: Versetze dich in die Situation und stelle dir jeweils die untenstehenden Fragen! 

Ich komme von der Arbeit nachhause und habe schlechte Laune. 

  1. Warum habe ich schlechte Laune? Mein Mitarbeiter hat schon wieder einen Termin “verschlafen” und ich musste es ausbaden.  
  2. Was fühle ich gerade? 
  3. Was kann ich mir selbst Gutes tun, damit es mir besser geht? 
  4. Was werde ich das nächste Mal anders machen, damit es nicht wieder passiert? 

Ergebnisse:  

Mögliche Beantwortung Frage 1 

Damit versetze ich mich selbst zurück in die Situation und erlebe dieselben schlechten Gefühle, ärgere mich erneut über meinen Mitarbeitenden, fühle mich weiter schlecht. Geändert habe ich nichts. Mögliche Folge könnte sein, dass ich meine schlechte Laune am Partner oder der Partnerin auslasse. 

Mögliche Beantwortung Fragen 2 bis 4 

Hier komme ich in die Selbstreflektion. Bsp.: Ich fühle Ärger oder Wut. Damit kann ich umgehen: Ich überlege mir, wie ich meinen Mitarbeiter in Zukunft besser führen kann, was ich tun kann, um jetzt aus dem Gefühl rauszukommen, denke in Lösungen. Bin bei mir und mit Sicherheit nach dieser Reflektion besser drauf. 

Bei der Beantwortung von anderen W-Fragen komme ich also in die Lösung und überlege, was ich als Führungskraft ändern kann. 

Die Lösung also: Statt Warum bitte Was fragen!